Auf ein Wort / Lesepredigten
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Predigt zu Offb 15,2ff
Ich sitze in einem roten Sessel, erwartungsvoll richtet sich mein Blick auf die Bühne. Die Menschen um mich herum können ihre Begeisterung kaum zurückhalten, immer wieder Jubelrufe, die Trikolore wird geschwungen und dann plötzlich geht das Licht aus einem Scheinwerfer richtet sich punktförmig auf den Vorhang, dieser öffnet sich und im gleichen Augenblick ertönt das Orchester und ihre Stimme: Mireille Mathieu singt ihr Mon Credo –
Das war im Pariser Olympia 2005, einigen habe ich es schon erzählt – es war für mich ein Kindheitstraum, diese Stimme, die ich seit meiner Kindheit im Ohr habe live zu hören.
Mit dieser Stimme verband ich eine fremde damals ferne und unerreichbare Welt, die einen anderen Pulsschlag hatte als den gleichförmigen meiner DDR - Umgebung. Diese Stimme zu hören war so etwas wie als würde ich mich für Augenblicke darüber hinausheben.
Nie habe ich daran geglaubt, einst selbst in Paris zu sein, in jenem berühmten Theater sie zu sehen und zu hören.
Nach diesem Konzert war ich erfüllt und zugleich leer – ein Traum hatte sich eben erfüllt.
Wenn ich von dieser Leidenschaft erzähle, kommt bei manchem auch ein Lächeln ins Gesicht, vielleicht aus Unverständnis, vielleicht aber auch, weil sie das selbst kennen, weil jede und jeder für Melodien, Lieder, Stimmen, eine bestimmte Musik empfänglich ist und mit ihr sich gleichsam über sich selbst erhebt, den inneren Traum vor sich sieht – ein Bild von etwas, das sonst nicht oder noch nicht ist, aber woran ich glaube, worauf ich in meinem innersten hoffe, dass es sich erfüllen wird.
Ein solches Lied ist heute zu hören, ein Lied dessen Melodie wir zwar nicht kennen aber die jede und jeder von uns mit seiner inneren Musik verbinden kann – es ist ein Lied aus der Offenbarung des Johannes. Johannes sieht und hört einen großen Trost, der nicht da ist – noch nicht da ist. Johannes tröstet sich mit etwas, was noch kommen wird und benutzt dabei etwas, was er kennt: die Worte eines Liedes.
Es ist ein Lied eingebettet in eine Art Traumbild von etwas, das schon und noch nicht ist. Hören Sie (noch einmal):
Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen
3 und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.
4 Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.
Ein großartiges Lied mit dem der Schreiber der Offenbarung sich und seine Hörer über triste Aussichten erheben will, sich erheben will über eine düstere Wirklichkeit die bedrohlich, die von Verfolgung und Gefangenschaft gezeichnet ist.
Das Lied, das er singt, bezieht sich auf die wunderbare Rettung der Israeliten vor ägyptischer Verfolgung, es bezieht sich auf die Verheißung Jeremias in babylonischer Gefangenschaft.
Johannes, der Gequälte, wirft mit diesem Lied schon einmal einen Blick auf den Himmel, der für ihn wie das klare Meer ist, in dem sich die güldene Sonne des Morgens und Abend spiegelt und er hört die Melodie der Überwinder: Er hört sie, Mose und Mirjam gleichsam singen und sieht vor sich, wie sie damals dem Heer der Ägypter entkommen sind und so möchte er mit den Christinnen und Christen seiner Gemeinde in dieses Lied einstimmen.
Ein machtvolles bildreiches Lied ist es und bildet gleichsam die Ouvertüre zu dem, was dann kommt, nämlich wie sich Johannes die Machtentfaltung Gottes vorstellt.
Der himmlische Tempel öffnet sich und heraus treten die Engel Gottes und sie kippen die sieben Schalen der Wut Gottes auf die Erde … und das Böse wird ausgelöscht, das Leben im Wasser und auf der Erde wird verbrannt.
Die ganze Macht Gottes wird sich entfalten – und da, liebe Gemeinde stockt mir etwas der Atem und ich weiß nicht, ob ich dieses Lied mitsingen will. Hier spüre ich eine Dissonanz. Vielmehr eine andere Melodie und ein anders Bild als Johannes uns zeigt, höre und sehe ich:
Die Macht Gottes, ja wird sich erweisen und wir alle werden es sehen. Daran glaube auch ich und ich glaube auch daran, dass mit Blick auf das unerträgliche Leiden der Armgemachten und Entwürdigten, mit Blick auf die Arroganz der Superreichen, mit Blick auf die Skrupellosigkeit der Krieger und der Machtgier der Herrschenden das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Aber und das zeigt uns allen Jesus aus nazareth und seine Geschicjhte und nicht zuletzt seine Auferstehung, das zeigt uns Ostern, Gottes Macht ist eben eine andere als die Macht der Mächtigen unserer Welt. Und so schlägt Gott auch andere Töne an. Es sind Töne, die sich unterscheiden von den Schlacht und Kampfgesängen irdischer Krieger. Es sind Töne, die nicht Angst und Schrecken erzeugen. Es sind Töne, die rufen. Es sind Töne, die trösten. Es sind Töne ganz neuer Art, ein ganz neues Lied, ist das Lied Gottes, das ich höre.
Es mag sein, das dieses Lied und diese Töne, die ich höre, andere sind, als die in den früheren Liedern, die die Israeliten anstimmten, auch in jenen, die verfolgte und bedrohte Christinnen und Christen in der Frühzeit sangen.
Aber ich glaube, dass auch Gott ständig am komponieren ist. Ich glaube, dass Gott uns so neue Lieder ins Herz gibt. Ich glaube, dass Gott will, dass wir seine Stimme vernehmen in unserer Zeit, mit einer Melodie, die unseren Träumen und Hoffnungen Ausdruck verleiht.
Und so glaube ich, ist es legitim, dass ich eine andere Melodie höre, als Mose und Jeremia und als Johannes. Und zugleich glaube ich, dass uns dennoch ein Grundton eint.
Es ist der Grundton Gottes, in dem die Überwindung des Unrechts, die Herstellung eines neuen Himmels und einer neuen Erde schwingt. Es ist der Grundton eines jeglichen Liedes in dem es um das Leben geht.
Dieser Grundton ist zu hören in den alten Liedern der Israeliten, er ist zu hören in den Gesängen der schwarzen Sklaven auf den Baumwollfeldern der Südstaaten, er zu hören in der 9. Sinfonie Beethovens, er ist zu hören wenn Udo Lindenbergs nicht nur Verliebten sondern allen an Grenzen Leidenden zu sang „Hinterm Horizont geht’s weiter“ und er ist zu hören wenn Mareile Mathieu Georg Mustakis Hymne auf Sacco und Vanzetti anstimmt.
Er ist zu hören in den Gesängen tibetanischer Mönche und in den alten Liedern unserer Gottesdienste und ist er ist zu hören in unserem Innersten.
Ich höre ihn, wenn ich in einer warmen Sommernacht hinaus gehe und den Sternenhimmel über mir erblicke und ich höre ihn, wenn ich auf das Meer mit der aufgehenden Sonne schaue – Ich wünsche Ihnen in den Augenblicken der Freude, der Ruhe aber auch in den Momenten der Angespanntheit und der Angst, dass sie diesen Grundton hören, einen Ton, der trägt, der Trost gibt und Kraft.
Ein Ton, in den wir gleichsam einem irdisch-himmlischen Chor einstimmen können:
Groß und wunderbar sind deine Werke Gott, du Macht, die alles beherrscht! Gerecht und wahr sind deine Wege, König der Völker.
Ja du allein bist heilig, denn alle Völker werden kommen und vor dir huldigen, denn die Taten deiner Gerechtigkeit sind offenkundig geworden.
Amen.