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Predigt zu Hiob 2,1ff
Nach Aschermittwoch, also nach der närrischen Zeit nun ein solcher Narrenstreich, ein solch närrisches Spiel Gottes mit diesem frommen Mann namens Hiob, der versucht werden soll, Gott zu fluchen.
Genauer betrachtet, scheint es so zu sein, dass sich Gott hat versuchen lassen.
Da sprach der Satan zu Gott, dem Ewigen: »Haut für Haut! Alles, was ein Mensch hat, gibt er für sein °Leben. Recke doch einmal deine Hand aus und rühre sein Gebein an und sein °Fleisch – ob er dir dann nicht ins Angesicht den Abschiedssegen geben wird?« Da sprach der Ewige zum Satan: »Da! Er ist in deiner Hand, nur sein °Leben bewahre!«
Das ist so wenig auszuhalten, wie auch die Versuchungserzählung Jesu, in der sich der Versucher als ziemlich bibelfest erweist.
In beiden Fällen geht es am Ende gut aus.
Jesus widersteht dem Bösen ohnehin (was ja den frommen Christen nicht wundert).
Bei Hiob ist das ganze etwas komplizierter, mehrschichtiger, vielleicht menschlicher, weil verletzender.
Es geht unter die Haut oder wie hier erzählt wird auf die Haut:
mit Geschwüren von der Fußsohle bis zum Scheitel.
Und seine Frau sprach: »Auch jetzt noch hältst du fest an deiner Frömmigkeit. Gib Gott den Abschiedssegen und stirb!« Da sprach er zu ihr: »Wie ein dummer Mensch redet, redest auch du. Das Gute nehmen wir doch auch an von °Gott und das Böse sollten wir nicht annehmen?« Mit all dem versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.
Und hier ist es für mich und manchen Lesenden und Hörenden gläubigen Menschen kaum auszuhalten.
Die Worte Hiobs auf den Einwand seiner Frau klingen wie ein frommes Bekenntnis.
Es klingt ähnlich wie jener in früheren Bestattungsagenden in denen der Pfarrer am Grab zu sagen hatte: Es hat Gott gefallen, dass Herr Sowieso oder Frau Sowieso gestorben ist.
Es hat Gott nicht gefallen, dass Hiob mit Geschwüren übersät leiden musste. Und das war ja in seinem Fall erst die Ouvertüre. Er verlor seine Kinder und all seinen Wohlstand, er wurde zugrunde gerichtet
Es hat Gott gewiss nicht gefallen, dass Hiob seine Kinder in einem Sturm verloren hat.
Es hat Gott nicht gefallen, dass die Felder voll mit Weizen verbrannt sind und dann die Panzer darüber fuhren.
Es hat Gott nicht gefallen, dass Irina ihren Vater verloren hat
Es hat Gott nicht gefallen, dass Oleg seinen rechten Arm verloren hat und unter Phantomschmerz leidet.
Es hat Gott nicht gefallen, dass Menschen in Schützengräben einander beschossen und beschießen wie vor 100 Jahren.
Es hat Gott nicht gefallen, dass 45000 Menschen unter Erdbebentrümmern begraben wurden.
Es hat Gott nicht gefallen, dass an unseren Gefallenenentafeln aus dem 1. Weltkrieg über 400 Namen stehen müssen, alles Menschenleben, die keine Chance mehr hatten auf ein Leben, auf Kinder, auf alt werden.
Es hat Gott nicht gefallen, dass Frauen gegen ihren Willen verhüllt wurden und Erniedrigungen erleiden müssen.
Das ganze unermessliche Leid durch die Zeiten hat Gott nicht gefallen.
Und so mag ich nicht sagen, es gäbe da irgendeinen Schuld- und Ergehenszusammenhang. Das wurde sowohl in jüdischer, als auch in christlicher Tradition gern so gesehen.
Weil du dies oder jenes schuldhaft verursacht hast musst Du, müssen Deine Kinder, dein Volk leiden. Das ist eine noch simplere Erklärung als die neulich bereits erwähnte, dass wir Gottes Willen nur nicht verstünden.
Ja, ich verstehe nicht, wieso das Böse so überhandnehmen kann. Ich versteh nicht, wie Menschen sich hinreißen lassen anderen das Leben nicht nur zur Hölle zu machen, sondern die ganze Welt aufs Spiel zu setzen.
Ich verstehe die menschlichen Abgründe nicht, und wer weiß welche ich in mir trage.
Ich mag aber wegen all des unerklärlichen unfassbaren Leids dennoch wie Hiob Gott nicht fluchen.
Ich mag einstimmen in die wortlose Klage über das Böse
und ich klage mit Hiob und ich klage mit Elifas, Bildad und mit Zofar und ich klage mit all den Toten der Kriege und der Katastrophen, ich klage Gott im Schweigen, weil mir die Worte und erst recht die Erklärung fehlen.
Da erhoben sie ihre Stimmen und weinten. Sie zerrissen ein jeder sein Obergewand und streuten Aschenstaub auf ihr Haupt zum Himmel hin. 13Dann setzten sie sich zu ihm auf die Erde
– sieben Tage lang und sieben Nächte lang.
Keiner sprach ein Wort, denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.
Die Kleider zerreißen, weil so viel erstorben ist.
Staub in den Himmel werfen auf unsere Häupter weil wir uns so ohnmächtig fühlen …
Sich zu Hiob setzen
Schweigen
Sieben Tage, sieben Nächte
Den Schmerz sehen
Und nun verlangt dieses Schweigen, dieses Aushalten eine Antwort. Wir brauchen eine Antwort.
Die Antwort aber ist eine Enttäuschung. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich möchte keiner Täuschung mehr unterliegen.
Es wäre eine Selbsttäuschung alles irgendwie erklären zu können. Es wäre eine Selbsttäuschung das Schweigen und sei es über sieben Fastenwochen hin, auszuhalten um dann in den frohen Osterjubel einstimmen zu können.
Nein, nicht so schnell und erst recht nicht heute.
Lasst es uns aushalten. Ja mehr noch lasst es uns tun, wie Hiob:
danach öffnete Hiob seinen Mund und verfluchte seinen Tag
und sein ganzes Leben und stellte alles Unrecht an den Pranger.
Dieses Aussprechen, das ich ja eigentlich schon in der Klage angedeutet habe, dieses in Worte bringen ist das, was ich tun kann und tun muss. Jeden Sonntag tue ich es – Kyrie eleison – Herr erbarme dich – Es ist keine einfache fromme Floskel, es ist ein Ruf. Und ich brauche diesen Ruf. Und ich weiß, dass viele Menschen ebenso diesen Klageruf brauchen.
Menschen brauchen ein gegenüber, eine, einen, dem sie all das sagen können unter Tränen und Schmerz, es einfach sagen.
Und es braucht eine, einen, zu dem ich rufen kann, die, der hört.
Invokavit: „Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören“.
Wie sehr Menschen, erst recht jene in Not das brauchen, das eine, einer hört, wissen wir alle, haben wir gar selbst erfahren.
Adel Chibane betritt mit großem Argwohn die Praxis des Pariser Therapeuten Philippe Dayan. Adel ist ein Polizist der französischen Spezialeinheit BRI und war am Abend des 13. November 2015 im Einsatz im Bataclan, jenem Konzerthaus in Paris, in dem unschuldige Menschen von Terroristen erschossen wurden. Jener Polizist wie auch eine Reihe anderer Menschen in größten inneren Nöten suchen Philippe Dayan auf.
Er sagt zu seinen Klienten oft diesen einzigen Satz: „Ich höre Ihnen zu“.
In dieser faszinierenden Kammerspielserie wird uns vor Augen geführt, wie sehr es einer Seele guttun kann, dass da einer ist, der zuhört. Nein, Philippe Dayan kann nicht mit auf Rezept verschriebenen Lösungen helfen. Er kann auch nicht verhindern, dass es der Polizist am Ende nicht mehr aushält in diesem Leben.
Aber er tut das menschenmögliche. Er hört zu.
Und wenn ich etwas Hoffnungsvolles aus der Hiob - Erzählung heute weiterzusagen habe, dann dies: Ich glaube an den hörenden Gott.
Und er ist zu finden, oft auch einfach in dem Menschen neben mir der mir zuhört oder auch in mir, wenn ich versuche einem anderen zuzuhören.
Und manchmal hilft es dazusitzen, in der Stille einer Kirche oder am Frühstückstisch und zu ahnen: Gott sitzt mir gegenüber. Und Gott sagt: ich höre dir zu.
Amen.
Biblische Texte hier aus Bibel in gerechter Sprache