Lesepredigten
7. Sonntag nach Trinitatis
6. Sonntag nach Trinitatis
5. Sonntag nach Trinitatiis
Predigt zu Mt 9, 35-10.1
Ich sehe IHN, wie er die Gangway heruntersteigt, lachend die Stewardess verabschiedet, die Arbeiter am Gepäckband grüßt. Dann geht ER durch die Passkontrolle, ohne etwas vorweisen zu müssen. Scheinbar reicht SEIN Lächeln aus. ER sagt ein fröhliches Hallo. Natürlich spricht ER die Landessprache, wohin ER auch immer kommt. ER muss an der Sicherheitskontrolle kein Handgepäck kontrollieren lassen, keinen Schmuck ablegen, keine Geldbörse aus der Tasche nehmen. Auch all das hat ER offensichtlich nicht. Lächelnd geht ER durch das Durchleuchtungstor. Natürlich leuchtet nichts auf außer ein Lächeln, das ER weiter gibt und damit alle Umherstehenden ansteckt. Der Apfel, den er in der Hosentasche hat, ist niemandem aufgefallen, ebenso das kleine Heftchen, in dem Worte stehen, die aber jeder versteht.
Als ER das Terminal verlässt streckt sich IHM schon eine erste Hand entgegen. ER nimmt den Apfel aus der Tasche und gibt ihn dem Bittenden. Wenige Schritte weiter will ein anderer etwas haben. Er schaut sich um. Hinter ihm ein Herr im Nadelstreifenanzug und mit Aktentasche in der Hand. Eigentlich will er raschen Schrittes vorüber gehen, doch dann sieht dieser Geschäftsmann in SEIN Gesicht und weiß, das er etwas geben soll. Er zieht einen Schein aus der Hosentasche und legt ihn in die bittende Hand. Und so geht es weiter, wie ich beobachten kann. Jene, die bettelnd am Straßenrand kauern schauen zu ihm auf und ER schaut mit fühlendem Blick auf sie, dann umher zu anderen, die augenblicklich das Gefühl bekommen, irgendetwas tun zu wollen, ja zu müssen. SEIN Blick, sein Lächeln, sein Zugehen auf andere wirkt ansteckend. Inzwischen aber ist es nicht nur SEIN Blick, sondern vielen anderen sind auch die Augen aufgegangen. Die Augen des Herzens, die Herzaugen sehen einander, sehen wie es dem Anderen geht, was die Andere braucht, was sie einander geben können. Freundlichkeit, Güte, Apfel und Brot, wo nötig, und vor allem Hoffnung. Es ist die Hoffnung, die ER brachte an alle Orte der Erde. So reist ER heute noch von Ort zu Ort, hat immer einen Platz im Zug, steigt von unzähligen Gangways herab, läuft auf staubigen Straßen durch die Dörfer, durch Städte, durch Einkaufspassagen, geht ab und an über Friedhöfe, hört die Stimmen der Verstorbenen und sieht dort etwas, was manche hoffen, aber nicht wirklich sehen ….
Überall aber wo ER anderen Menschen begegnet, gehen ihnen die Herzen auf. Einer steckt die andere an mit dieser Hoffnung.
So war, so ist es durch die Zeiten. Wann fing es eigentlich an? Genau weiß es niemand zu sagen. Es war aber in einer Zeit, in der es noch keine Zeitung gab, keine Massenegerdienste, keine Möglichkeit der Verbreitung außer von Mund zu Mund, von Herz zu Herz. So ging ER einst durch das Land, in dem es begann und so sagte ER anderen, zuerst jenen, die sich unterwegs IHM anschlossen, dass sie es tun können wie ER. Viele sind es seitdem geworden und noch mehr könnten angesteckt werden mit SEINEM Geist. Die ganze Welt wartet.
Ich warte.
Und es geschieht mitunter überraschend.
An einem heißen Tag sitze ich etwas erschöpft auf einer Bank. Eine Frau kommt auf mich zu, schenkt mir eine Flasche Wasser und ein Lächeln.
In der Fußgängerzone kommt mir eine Familie entgegen und fragt mich, ob ich ein Eis haben möchte, sie hätten eines zu viel gekauft. Ich nehme es und mehr als das Eis, mehr als das Wasser erfrischen mich diese Gesten der Freundlichkeit. Das war in England.
In Tansania haben wir uns mit Rita verabredet. Sie hat ein kleines Reisebüro und einen Kindergarten für Waisenkinder. Von ihr weiß ich, dass sie und vor allem die Kinder glücklich wären, einmal in ihrem Leben echte Elefanten, echte Giraffen, Löwen, überhaupt Tiere zu sehen, die sie sonst nur von Bildern kennen.
Wir vereinbaren, das Mögliche zu tun. Wir wollen keine Häuser bauen, keine großen Projekte stemmen, einzig Kindern ein Stück ihrer Welt eröffnen. Ich bin sicher, ich finde Unterstützende in Deutschland, sage ich ihr. Sie sagt Asante sana – vielen Dank. Ich denke, sie ist mir keinen Dank schuldig, ich, wir sind es ihr und den Kindern schuldig.
Ja, das alles ist keine direkte Auslegung des Predigttextes gemäß der ursprünglich zu verstehenden Intension. Da ging es um direkte Mission vor allem der Juden zum Christentum.
Das lässt sich lesen in der Fortsetzung des Textes in dem es um die Aussendung der Jünger geht:
5 Die Zwölf sandte Jesus aus, gebot ihnen und sprach: Geht nicht den Weg zu den Heiden und zieht nicht in eine Stadt der Samariter, 6 sondern geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel. 7 Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. 8 Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus. Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es auch.
Ich denke, den Text so heute zu predigen in Anbetracht unserer Geschichte wäre nicht richtig. Darum habe ich gesucht, wozu mich der Text anregt. Für mich geht es nicht zuerst um ein in die Ernte gehen, um unmittelbare Mission, wie man es aus dem Text herauslesen könnte, erst recht nicht um eine Mission Andersgläubiger oder gar unserer jüdischen Schwestern und Brüder.
Und doch spüre ich, dass es etwas mit dem zu tun hat, wozu Jesus aufruft, zumindest wozu er mich und uns heute aufruft. Ich will soweit ich kann, diesem Ruf folgen, gern mit anderen gemeinsam.
Es ist immer wieder der Ruf, dem auch einst Abraham folgte, der Ruf Wege zum Leben zu finden und Wege zum Leben für andere zu eröffnen, das etwas heil wird in dieser Welt, etwas sichtbar wird vom Himmelreich für Sie, Dich und mich, für andere, für die Verlorengeglaubten, für die Hoffenden, für alle.
Amen.