Auf ein Wort / Lesepredigten
Silvester 2024
1. Weihnachtstag 2024
Predigt zu Joh 1,1ff
So beginnt Johannes sein Evangelium. Keine Geburtsgeschichte Jesu und doch eine Geburtsgeschichte!
Lukas und Matthäus erzählen in farbenprächtigen Bildern, die deutliche Konturen haben – Engel, Hirten, Stern, die Weisen, Maria, Josef, sie alle waren gestern zu sehen, sind auf unzähligen Bildern dargestellt, werden auf Postkarten gedruckt zu Weihnachten verschickt. - Du sollst dir kein Bild machen –
Daran musste ich denken, denn die Bilder legen uns schnell fest: so muss es gewesen sein, so und nicht anders. Und selbstverständlich ist Gott Mensch geworden – aber nein, das steht weder so bei Johannes, noch irgendwo sonst in der Bibel. Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. Das Wort Gottes wurde gelebt durch Jesus – und so ist Gott mitten in dieser Welt, das drückt dieser alte Hymnus aus.
Aber dennoch finde ich es nicht schlimm, dass im Erzgebirge die Engel in Holz geschnitzt in jedem Fenster zu sehen sind, in Schwibbögen und auf Pyramiden. Das erinnert mich an Kindheit.
Und doch weiß ich, dass damit nicht beschrieben werden kann, was Gott geschehen ließ in unserer Welt.
Die Bilder, die wir vor Augen haben, beschreiben es -wie gesagt - nicht. Und wir wissen auch nicht genau Ort oder Zeit. Die Tradition erzählt: es geschah zu jener Zeit als …
Das alles ist ziemlich unpräzise und wenn heute jemand ernsthaft nachforscht, so wird er mehrere Gründe finden, die Geburt Jesu in Bethlehem zu jener Zeit zu widerlegen. Es genau auf den historischen Punkt zu bringen, davon waren sowohl Lukas, als auch Matthäus weit entfernt. Das wollten sie auch gar nicht. Sie wollten mit ihrer Jesusgeschichte das wunderbare, das außerordentliche des Geschehens verstärken.
Schön, dass wir diese Überlieferung haben und so von dem Besonderen erzählen und spielen können, dass es Kinder verstehen.
Mit Johannes haben es Kinder deutlich schwerer und auch Erwachsene. Johannes verwendet auch Bilder, aber es sind eher abstrakte Metaphern.
Im Anfang war das Wort. Nein nicht zu jener Zeit als …, nicht am Anfang, sondern im Anfang: im Anfang – was für ein komisches Deutsch und doch ist es viel konkreter, als etwa Lukas: nämlich es geschieht immerdar, es geschieht, das das Wort Gestalt annimmt und lebendig wird. So beginnt schon die Bibel:
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Im Anfang – das heißt es geschieht immerfort. Im Anfang ist somit jener Moment der Geschichte, als Kaiser Augustus die Macht Roms verkörperte und in armen Verhältnissen Jesus geboren wurde. Im Anfang das war auch als Paulus jene Erleuchtung vor Damaskus hatte und Christ wurde. Im Anfang, das war als Kaiser Konstantin auf einen Traum, auf ein göttliches Wort hin zu einer Einsicht, zu einem Glauben kam und die Welt veränderte. Im Anfang das war, als Nikolaus die Schätze der Kirche von Myra als Pfand für die Kinder gab, das war als Martin von Tour den Soldatenmantel ablegte, das war als Martin Luther vor dem Reivchstag in Worms dem Papst die Stirn bot. Im Anfang war, als deutsche Soldaten in jenem Kriegjahr 1914 in den Schützengräben Christbäume aufstellten und gemeinsam mit ihren englischen Gegnern Weihnachtslieder sangen und Fussball spielten.
Das war auch als in finsteren Zeiten einige wenige Christen ihre jüdischen Nachbarn versteckten.
Im Anfang meint einen stets geschehenden, sozusagen immer mitlaufenden Anfang. Und ich habe jene Momente als Beispiele aufgezählt, die ich als Heilsmomente bezeichne. Wo für einen Moment etwas Heilvolles geschah und die Finsternis durchbrochen wurde.
Das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat´s nicht ergriffen. Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet …
Und eigentlich hätte die Welt seit Konstantins Bekehrung zum Christentum ja eine friedliche sein müssen. Eigentlich hätten die Kaiser fortan auf alle Insignien der Macht verzichten müssen, eigentlich hätten die Kirchen fortan schlicht und ohne Goldprunk Häuser des Lebens sein müssen!
Eigentlich müssten doch die russischen und ukrainischen zumeist orthodox christlichen Soldaten einfach den Krieg beenden.
Eigentlich müssten wir Flüchtende willkommen heißen, ihnen Kaffee und Kuchen geben, wie vor 35 Jahren die Westdeutschen am Tag nach dem Mauerfall den ersten ostdeutschen, die über die Grenze kamen. Eigentlich müsste unsere Welt doch ganz anders sein. Denn das Wort Fleisch geworden und somit ist Gott präsent in der Welt. Das Licht Gottes, es leuchtet doch überall
aber die Welt erkannte
ihn nicht.
11Er kam in sein Eigentum; und die Seinen
nahmen ihn nicht auf.
Das ist so seit jener Zeit, das ist so durch alle Zeiten, das die seinen ihn nicht aufnehmen.
Wenn mir dann einer sagt:
Ich hab es nicht einfach mit Ihnen und ihrer Kirche und ihrer Botschaft! Ich kann ihn verstehen.
Der mir das sagte, kannte den Hymnus des Johannes wahrscheinlich nicht, er hätte ihm aber recht gegeben: Und nun?
Es gibt keine einfache Auflösung. Es ist doch im Grunde zum Verzweifeln.
Johannes endet aber nicht mit dieser nüchternen Feststellung, vielmehr beschreibt sein Hymnus, das wozu wir alle grundsätzlich in der Lage sind, das was jederzeit in uns ist, in uns geboren werden kann, das was unser wahres Menschsein ausmacht und zugleich das Göttliche in uns widerspiegelt:
Ihn aufnehmen, das heißt: einen einzelnen Menschen aufnehmen, helfen, sich erbarmen. An Grenzen gehen. Verbinden, was getrennt ist. Worte sagen, die lebendig machen.
Dafür sorgen, dass die Welt in einem neuen Licht erstrahlt.
In solchen Momenten wird etwas sichtbar von Gottes Abbild in uns.
Ich merke, Johannes und ich auch drücken uns zu kompliziert aus. Ich muss es anders sagen. Ich brauche (ähnlich wie Lukas und Matthäus) doch ein lebendiges Bild.
Ich muss es Ihnen schmackhaft machen:
Wie – nun wir gehen einfach gedanklich in ein gutes Lokal irgendwo in der Altstadt einer deutschen Metropole.
Wir gehen durch das sehr gepflegte Restaurant, die meisten Gäste sind gegangen und die Köche sitzen nach getaner Arbeit am Tisch in ihrer Küche.
Das Essen hat allen geschmeckt, alle sind satt geworden, mehrere haben den Köchen ausrichten lassen, so gut hätte es ihnen noch nie geschmeckt – das hören sie gern. Sie freuen sich, dass sich ihre Arbeit gelohnt hat.
Obwohl sie das gleiche getan haben wie immer, war es doch diesmal anders. Schon beim Abschmecken merkten sie, es wird heute besonders gut gelingen.
Jetzt, nachdem die Gäste gegangen waren, trinken sie noch einen Wein auf die getane Arbeit. Und sie reden über dieses Weihnachten
Nun, es war Weihnachten wie alle Jahre und die Weihnachtsgesellschaft war auch dieselbe, wie jedes Jahr.
Die üblichen Familienfeiern, so sagte Rudi, als er die Bestellung aufgenommen hatte. Doch dann kam es ganz anders. Freilich waren die Familien beisammen, wie alle Jahre und das Essen sollte das üblich sein. Doch in diesem Jahr war etwas anders. Ein junges Paar war dabei. Sie kamen von außerhalb und die Frau hatte gerade erst entbunden und sie wussten nicht wohin. Da hat Rudi gesagt, sie könnten bei ihnen in der Gästewohnung übernachten. Schließlich sei Weihnachten und er wollte sich nicht nachsagen lassen, er sei wie der Wirt aus der Weihnachtsgeschichte. Da lachten sie alle. Und so, sagte Rudi, habe ich sie kurzerhand heute mit zum Essen eingeladen. Drei Gedecke oder eigentlich waren´s nur zwei machen das Kraut doch nicht fett. Und so saß schließlich das Paar mit dem Kind an der Gästetafel. Die Leute wollten es so, schließlich sei Weihnachten.
Da hörte ich doch, wie einer sagte, es ist ja tatsächlich fast wie in der Weihnachtsgeschichte. Nun müsste das Kind noch Jesus heißen. Die junge Frau hat gelacht. Nein, meinte der Mann, es ist ein Mädchen und sie heißt Talia.
Na, sagte Rudi, das wäre ja auch ein zu großer Zufall und wer sagt denn, dass Gott es unbedingt wieder so machen muss. Machen wir doch beim Kochen auch nicht. Es ist immer dasselbe Essen, aber auch immer eine Nuance anders. Hauptsache es hat allen geschmeckt! Hauptsache, alle sind satt!
Auch wenn Sie kein Koch sind, kein Restaurant haben, es gibt viele Möglichkeiten etwas von Gottes Freundlichkeit, von Gottes Licht in unserer Welt aufleuchten zu lassen, gerade in diesen Tagen, da bei manchen der Hass neu entflammt und bei Geflüchteten die Ansgt. Einem der fremd ist hier in Haldensleben einen freundlichen Blick schenken, frohe Weihnachten wünschen, ein gutes neues Jahr, Willkommen zu sagen. Gewiss ändert man damit nicht die ganze Welt, aber die Welt eines einzelnen für einen heilvollen Moment. Mit einem Wort kann alles beginnen. Gott hat es vorgemacht.